Blancanieves

Eine Filmkritik von Peter Osteried

Schneewittchen und die sieben Toreros

Märchen sind eigentlich ziemlich grausam. Erst mit verstreichender Zeit wurden sie gezähmt. Nicht so jedoch Pablo Bergers Blancanieves, mit dem er das Grimmsche Märchen vom Schneewittchen einer Frischzellenkultur unterzieht — und das ausgerechnet, indem er sich filmisch rückwärts wendet. Denn sein über fast ein Jahrzehnt hinweg entstandene Werk ist ein moderner Stummfilm, der sich an die Erzählformen der Frühzeit des Films hält, zugleich jedoch auch mit modernen Schnittmontagen und grandioser musikalischer Untermalung arbeitet.
Im Spanien der 1920er Jahre ist Antonio Vilalta der größte lebende Matador. Ein Unfall fesselt ihn an den Rollstuhl und seine Frau stirbt bei der Geburt der Tochter Carmen. Antonio heiratet wieder, aber Carmen verbringt ihre ersten Jahre bei ihrer Großmutter, da der Vater ihren Anblick nicht ertragen kann. Als die Großmutter stirbt, kommt Carmen ins Haus ihres Vaters, wo ihre Stiefmutter sie spüren lässt, dass sie unerwünscht ist. Nach dem Tod ihres Vaters wird es unerträglich, ihre Stiefmutter möchte auch sie loswerden, aber das nur mit bedingtem Erfolg. Mit Gedächtnisschwund freundet Carmen sich mit sieben kleinwüchsigen Stierkämpfern an und wird selbst zum Matador.

Berger hat sich bei seiner Adaption des Märchens einige Freiheiten genommen. Das lässt die Geschichte trotz bekannter Grundform neu und originell erscheinen. Das Setting in Spanien, aber auch die Konzentration auf die Arena, wo das große Finale des Films stattfindet, verleihen dem Film viel Flair. Speziell die große Bühne, die die ganz großen Gesten erfordert, kommt dem Stummfilm sehr entgegen.

Faszinierend an Blancanieves ist zudem, dass Berger ganz neue Wege beschreitet. Er läuft mit seiner Geschichte auf ein konsequentes Ende hinaus, das man so von einer Schneewittchen-Verfilmung nicht erwarten würde. Die Melange aus Komödie und Melodram ist so makaber wie süß, so romantisch wie witzig, so klassisch wie modern. Ein Stummfilmmärchen nicht nur für Cineasten.

Blancanieves

Märchen sind eigentlich ziemlich grausam. Erst mit verstreichender Zeit wurden sie gezähmt. Nicht so jedoch Pablo Bergers „Blancanieves“, mit dem er das Grimmsche Märchen vom Schneewittchen einer Frischzellenkultur unterzieht — und das ausgerechnet, indem er sich filmisch rückwärts wendet.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen