Beste Chance

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

"Auf Fahrtwind und Freiheit", zum Dritten

Es scheint schon eine halbe Ewigkeit her zu sein, seit sich die beiden Freundinnen Kati (Anna Maria Sturm) und Jo (Rosalie Thomass) auf der Kinoleinwand 2008 in Beste Gegend voneinander verabschiedeten. Das jahrelange Schwärmen der beiden Mädchen aus der bayerischen Provinz von „Fahrtwind und Freiheit“ setzte nur Jo in die Tat um: Nach der Schule flog sie allein in die weite Welt, weil Kati irgendwie von zu Hause nicht wegkam.
Beste Chance, der dritte Film der Heimat-Trilogie von Regisseur Marcus H. Rosenmüller, die 2007 mit Beste Zeit begann, greift die Geschichte der Freundinnen fünf Jahre nach dem Abitur wieder auf. Kati und Jo haben sich seither nicht mehr gesehen – und werden es auch im ganzen Film nicht tun. Aber ihre Freundschaft hält die Geschichte zusammen, in der das Reisen endlich kein Hirngespinst mehr bleibt. Kati fliegt nämlich nach Indien, ganz spontan, trotz Prüfungsstress an der Uni, als sie auf dem Anrufbeantworter hört, dass es Jo dort nicht gutgeht. Und Jo kehrt derweil ahnungslos heim, um festzustellen, dass sich in Tandern bei Dachau kaum etwas verändert hat. Das Heimatdorf ist eine lebenslange Liebe, an der sich die Protagonisten abarbeiten.

Wehmut stellt sich ein, wenn die Geschichte typische Situationen aus den beiden Vorgängerfilmen aufgreift und fortspinnt. Immer noch ist es ein Sakrileg, die Sitzungen des Fußballvereins in der Gaststätte zu stören. Solche Reprisen entwickeln oft eine herrlich witzige Dynamik, mit welcher dem Film ein krönender komödiantischer Abschluss der Trilogie gelingt. Darüber hinaus gibt es erneut ein paar echte Gänsehautmomente. Als sich Kati und Jo einmal zumindest am Telefon begegnen, lebt ihre in den Vorgängerfilmen so wunderbar ausgemalte Freundschaft sofort wieder auf, ohne hörbare Worte, nur in flirrenden, taumelnden Großaufnahmen von Augen und Lippen. Ihre alten Kumpel Rocky (Ferdinand Schmidt-Modrow) und Toni (Volker Bruch) erhalten diesmal größere Rollen. Der immer noch in Jo verschossene Toni verliert ja nie ein Wort zu viel, aber dadurch erhält sogar sein Spruch „Passt scho“ eine ungeahnte emotionale Wahrhaftigkeit. Auch Katis bärbeißiger Vater Hubert (Andreas Giebel) kommt ausführlich zum Zug. Denn er muss mit Jos Vater Walter (Heinz Josef Braun) ebenfalls nach Indien, weil im Radio von einem Terroranschlag in dem Land berichtet wird und die Töchter womöglich in Gefahr sind.

Das Bodenständige wird in den Drehbüchern von Karin Michalke, die aus dem Landstrich stammt, in dem die Trilogie spielt, mit Dialekt, Herz und frechem Humor ausgemalt. Kati, Jo, ihre Eltern und ihre Freunde sind alle sympathische Originale. Konflikte waren von Anfang an schon deswegen vorprogrammiert, weil es für jugendliche Individualität im Dorf keinen Raum gab. Dass die heimatliche Enge nun im Kontrast zu den parallelen Handlungssträngen in der Ferne inszeniert wird, erweist sich als dramaturgisch reizvoll. Rosenmüller war selbst in seiner Studentenzeit in Indien und unterlegt Katis Reiseimpressionen mit Liedern der Beatles: Die Bilder aus dem Ashram und der bunte, aber keineswegs nur schöne Trubel in den Straßen bleiben aus westlicher Sicht mit der speziellen Jugend-Nostalgie konnotiert, die aus der Flower-Power-Zeit stammt.

Manchmal hebt der Film im Rausch der schönen Einfälle jedoch ab. So wird auch Indien zum Dorf, in dem Kati an den unwahrscheinlichsten Orten plötzlich jemanden aus Tandern trifft. Vor allem aber ist es schade, wie ihr Vater, nur weil der so urig-spaßfern dreinblickt, in Indien für clowneske Nummern herhalten muss. Aber als spritziges und herzliches Exemplar des neuen Heimatfilms ist Beste Chance trotzdem eine Schau.

Beste Chance

Es scheint schon eine halbe Ewigkeit her zu sein, seit sich die beiden Freundinnen Kati (Anna Maria Sturm) und Jo (Rosalie Thomass) auf der Kinoleinwand 2008 in „Beste Gegend“ voneinander verabschiedeten. Das jahrelange Schwärmen der beiden Mädchen aus der bayerischen Provinz von Fahrtwind und Freiheit setzte nur Jo in die Tat um: Nach der Schule flog sie allein in die weite Welt, weil Kati irgendwie von zu Hause nicht wegkam.
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Meinungen

daseppi · 14.08.2014

Ein handwerklich gut gemachter Neoheimat-cum-Roadmovie von Hip-Folklorist Rosenmüller. Wer ernsthaft glaubt, dass die grantigen Bayern tief im Herzen äußerst liebenswerte Menschen sind, wird hier gut bedient. Mich würgt's eher bei so einem seichten Schmarrn.