Bandaged

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Die Blümchen des Bösen

Ein abgelegenes Haus, ein finsterer Wissenschaftler mit unermüdlichem und skrupellosem Forscherdrang, dessen kurz vor der Volljährigkeit stehendes Töchterlein mit reiner romantischer Seele und eine Krankenschwester mit zwielichtiger Vergangenheit – das sind die Zutaten für Maria Beattys erotischen Thriller Bandaged. Der recht simple Plot erscheint wie ein Sammelsurium aus diversen Trash- und B-Movies und spielt derart unverfroren mit filmischen wie literarischen Klischees, dass man sich entweder binnen kurzer Zeit mit Grausen abwendet oder aber sich verzaubern lässt von diesem seltsam aus der Zeit gefallenen Film und seiner unterschwelligen Erotik.
Bandaged spielt irgendwann in einer Vergangenheit, die sich auch aufgrund der verschiedenen visuellen Hinweise kaum näher bestimmen lässt. In manchen Momenten erscheint die Kleidung wie aus den Dreißigerjahren des vorigen Jahrhunderts, dann wieder tauchen Autos auf, die aus den Sechzigern und Siebzigern stammen, während die benutzten medizinischen Gegenstände eher auf den Anfang des 20 Jahrhunderts verweisen. In einem Haus irgendwo im Niemandsland lebt der verwitwete Chirurg Arthur (Hans Piesbergen) gemeinsam mit seiner Tochter Lucille (Janna Lisa Dombrowsky) und der Großtante Ingrid (Martine Erhel) und wacht eifersüchtig über das Leben Lucilles. Die hat ihren eigenen Kopf und will aus dem Gefängnis ausbrechen, da ihr Vater ihr das Literaturstudium verbietet. Als ein Selbstmordversuch Lucilles misslingt, trägt sie schwere Gesichtsverletzungen davon und ist noch eingeschränkter, als sie es zuvor war. Um ihr die bestmögliche Pflege (und Überwachung) angedeihen zu lassen, engagiert Arthur die zwielichtige Krankenschwester Joan (Susanne Sachsse), während er in seinem Kellerlabor mit verschiedenen Methoden zur Wiederherstellung von Lucilles Gesichts experimentiert. Schnell wird klar, dass es ihm dabei nicht allein um die Heilung Lucilles geht, sondern auch um die Rekonstruktion des Gesichts seiner verstorbenen Frau. Im Verlauf des Heilungsprozesses entdecken Lucille und Joan, dass sie sich voneinander erotisch angezogen fühlen, sie beginnen eine heimliche Affäre miteinander, die sich aber nicht ewig geheim halten lässt…

Maria Beatty dreht seit vielen Jahren Filme, wobei sie bislang vor allem im SM- und Fetish-Bereich gearbeitet hat. Das sieht man Bandaged deutlich an, der immer wieder Gegenstände, vor allem aus dem medizinischen Bereich ästhetisch überhöht und bildhaft zum Fetisch erhebt. Die altmodischen Spritzen, die Mullbinden, die viktorianisch anmutenden chirurgischen Instrumente – sie passen zu einem Horrorfilm der ganz alten Schule ebenso gut wie zum einem erotischen Film über Fetische. Und irgendwo im Zwischenraum zwischen diesen beiden Genres bewegt sich Bandaged auch. Wobei es dem Film letzten Endes dann doch trotz einiger erotischer Szenen und dezent eingesetzter special effects an Drastik, Witz und Ironie mangelt.

Daran sind vor allem die Dialoge und Darsteller nicht ganz unschuldig. Denn ob es eine gute Idee war, diesen vorwiegend mit deutschen Darstellern besetzten Film auf Englisch zu drehen, muss ernsthaft bezweifelt werden. Die zum Teil nicht eben unanspruchsvollen Dialoge, die auch mal gerne von mathematischen Formeln oder komplizierten chirurgischen Eingriffen handeln, wirken oftmals steif aufgesagt, es mangelt beinahe allen Darstellern an der nötigen Ironie und am Esprit, um den Trash-Charakter von Bandaged stimmlich abzubilden. Überhaupt wird man das Gefühl nicht los, dass dieser Film ganz anders – und ehrlich gesagt – um einiges besser hätte sein können, als das Endergebnis es vermuten lässt. Zumal die Querverweise und Vorbilder illustrer nicht sein könnten: Neben Georges Franjus Klassiker des subtilen und poetischen Horrors Augen ohne Gesicht aus dem Jahre 1960 kommen einem diverse andere Filme in den Sinn, in denen einer der Protagonisten sein Antlitz unter Bandagen oder Masken verstecken muss. Erinnert sei hier beispielsweise an William Castles Mr. Sardonicus (USA, 1961) oder an Delmer Daves‘ Film noir Die schwarze Natter / Dark Passage (USA 1947) Vielleicht liegt es ja daran, dass die Szenen zwischen der bandagierten Lucille und Joan deshalb zu den stärksten des ganzen Filmes zählen – weil wir wissen, welche Gnade ein verdecktes Gesicht bedeuten kann, das uns vor der nackten, schrecklichen Wahrheit bewahrt.

Wie gerne hätte man einen solch Film gesehen, der virtuos, sexy und spielerisch mit dem kruden Genremix und dessen berüchtigten Vorbildern umgeht. Stattdessen sieht man ein tristes Kammerspiel, das steif und bemüht wirkt und das eine Tiefe verspricht, die es fast in keinem Moment einlösen kann.

Bandaged

Ein abgelegenes Haus, ein finsterer Wissenschaftler mit unermüdlichem und skrupellosem Forscherdrang, dessen kurz vor der Volljährigkeit stehendes Töchterlein mit reiner romantischer Seele und eine Krankenschwester mit zwielichtiger Vergangenheit – das sind die Zutaten für Maria Beattys erotischen Thriller „Bandaged“.
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