Autobahn Ost

Verkehrspolitische Vergangenheitsbewältigung

Wer heute über die ostdeutschen Autobahnen in Richtung Berlin, Rostock oder Dresden fährt, vergisst nur allzu leicht, wie es hier in den Zeiten der deutsch-deutschen Teilung ausgesehen hat. Denn heute lauern keine Vopos mehr hinterm Busch, kein Zoll verlangt bei Drewitz, Marienborn oder Hirschberg einen Blick in den Kofferraum. Die Risse sind längst überbaut, die Fahrbahnen verbreitert, die Grenzübergangsstellen in Motels oder Museen verwandelt. Shopping Malls werfen neongrelles Licht auf blühende Landschaften. Mit dem Beton der neuen Strecken sind nicht nur die alten Risse, sondern auch viele andere historische Spuren verschwunden.

Doch es gibt sie noch, die Zeitzeugen des Transitverkehrs, der fast vierzig Jahre lang die nahezu einzige Verbindung zwischen Ost und West war. Hier spielten sich Dramen ab, Fluchtversuche wurden unternommen und scheiterten, hier operierten straff organisierte Schleuser-Organisationen, Transitpolizisten ließen ihre Macht spielen und jeder noch so geringe Vorfall auf der Transitstrecke wurde zum Spielball der Politik. Ein Ort, an dem seit den dreißiger Jahren deutsche Geschichte auf den Asphalt geschrieben wurde.

Die historischen Vorläufer der Autobahn Ost sind die schon in den 30er Jahren konzipierten und streckenweise ausgebauten Reichsautobahnen. Nach der Teilung Deutschlands in der DDR neu geplante Strecken (z.B. Berlin-Rostock und Leipzig-Dresden) wurden aufgrund deutsch-deutscher Grenzziehungen erst Jahre später realisiert. Fehlende Baumaterialien und überzogene, nicht durchführbare Jahrespläne für die Baukombinate sorgten für weitere Verzögerungen. Der gemeinschaftliche Wiederaufbau der Hirschberger Saalebrücke in den 60er Jahren – von der Wehrmacht 1945 teilweise gesprengt und noch mit Reichsadler und Hakenkreuz versehen – kann durchaus als ein Prüfstein ost- und westdeutscher Beziehungen gesehen werden. Dabei ließ sich die DDR den Bau der Grenzübergänge ganze 30 Millionen Mark kosten, während die BRD für den Wiederaufbau der Brücke lediglich 5,5 Millionen DM beisteuern musste. Erst nach der Wende kommt eine bis heute andauernde Modernisierung der Strecken zustande, die nicht zuletzt den Abriss alter deutsch-deutscher Grenzübergänge mit sich bringt.

Voller Ironie und mit viel Gespür für die kleinen Anekdoten, Skurrilitäten und Geschichten am Wegesrand erforscht der Regisseur Gerd Kroske ein Stück deutsch-deutsche Verkehrsgeschichte und verdeutlicht dabei das mitunter bizarre Wechselspiel von Autobahnbau, totalitärer Überwachung und Diplomatie. Zum Teil bislang unveröffentlichtes Material wie Schulungsfilme der Transitpolizei und Observationsmitschnitte kontrastieren mit den Geschichten der Menschen am Wegesrand. Anhand eines nur auf den ersten Blick gänzlich unspannenden Themas entfaltet Autobahn Ost einen Spannungsbogen, der die große Politik und das Leben der so genannten „kleinen Leute“ fast ohne jeden Kommentar nebeneinander stellt, aufeinanderprallen lässt und mit der Vergangenheit und der gesamtdeutschen Wirklichkeit konfrontiert. Sehenswert und jenseits aller verklärenden „Ostalgie“ im höchsten Maße unterhaltsam.

Autobahn Ost

Wer heute über die ostdeutschen Autobahnen in Richtung Berlin, Rostock oder Dresden fährt, vergisst nur allzu leicht, wie es hier in den Zeiten der deutsch-deutschen Teilung ausgesehen hat.

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