Ausente

Eine Filmkritik von Verena Schmöller

Gefühlvolles Drama mit Thriller-Qualität

in (Javier De Pietro) ist wie viele 16-jährige auf der Suche nach seiner sexuellen Identität. Die Avancen der Nachbarstochter will er nicht bemerken, schließlich sei sie für ihn wie seine Schwester, sagt er, schließlich kenne er sie schon, seitdem er sechs Jahre alt sei. Martins neugieriger Blick gilt vielmehr seinen männlichen Mitschülern und vor allem seinem Sportlehrer, Sebastián (Carlos Echevarría). Unter einer Verkettung von Vorwänden schafft er es dann auch, eine Nacht in dessen Wohnzimmer zu verbringen und in seine Privatsphäre einzudringen. Für Sebastián ist nach dieser Nacht nichts mehr wie davor.
 
Marco Bergers Film, der bei den 61. Internationalen Filmfestspielen in Berlin als Bester Spielfilm mit dem „Teddy Award“ für Queer Cinema ausgezeichnet wurde, ist ein einfühlsames Drama mit gleichzeitiger Thriller-Qualität. Die Angst, dass die gemeinsame Nacht von Schüler und Lehrer – auch wenn in dieser nichts passiert ist – bekannt werden würde, und die Unsicherheit gegenüber dem Verhalten, Ahnen und Empfinden des anderen hängen permanent in der Luft und lassen die Figuren nicht aufatmen. Und nach einem tragischen Unfall hinterfragt auch Sebastián seine Sexualität.
 
Häufig folgt die Kamera Martins Blick, wenn er unauffällig in der Umkleidekabine des Schwimmbades seine Mitschüler beim Duschen und Umziehen beobachtet oder den Augenkontakt zu Sebastián sucht. Ausente besticht vor allem durch seine subjektive Blickführung und darüber hinaus durch seine kühle Farbgebung: Ein Großteil des Films ist in Blau gehalten und drückt somit auch über seine farbliche Stimmung die Kälte aus, die die Beziehung – trotz aller Sehnsucht – zwischen den beiden Männern bestimmt. Nur in wenigen Szenen wechselt der Film ins Rötliche, Ausdruck der geheimen Begierden. Gerade jedoch die Abwesenheit von Zärtlichkeit, Sex und klärenden Gesprächen statten den Film mit einer außergewöhnlichen Grundspannung aus.
 
Berger, dessen Debütfilm Plan B ebenfalls in den deutschen Kinos startete, reiht sich damit mit seinen Spielfilmen in das zeitgenössische argentinische Filmschaffen ein, das vermehrt Themen wie Homo-, Trans- oder Intersexualität auf die Leinwand projiziert, wenn man beispielsweise an den ebenso international erfolgreichen Film XXY von Lucía Puenzo denkt. Berger, der sich offen zu seiner Homosexualität bekennt, betrachtet seine Filme allerdings vor allem als natürlichen Prozess: Auf der Leinwand zeige er, wie er die Welt sehe; ihm gehe es weniger um ein queer cinema als vielmehr darum, Filme zu machen. Ausente beweist dies erneut: Die Geschichte ist dramaturgisch wie schauspielerisch hervorragend umgesetzt, wobei sich der Film insbesondere durch seine Filmsprache und einen einzigartigen Soundtrack auszeichnet.
 

Ausente

Martin (Javier De Pietro) ist wie viele 16-jährige auf der Suche nach seiner sexuellen Identität. Die Avancen der Nachbarstochter will er nicht bemerken, schließlich sei sie für ihn wie seine Schwester, sagt er, schließlich kenne er sie schon, seitdem er sechs Jahre alt sei.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen

Robbie · 12.01.2012

Ein ruhiger, angenehm unaufdringlicher Film.
Aber mit einem großen Manko:
Er vermochte es nicht mich an den Gefühlen und Gedanken der beiden Protagonisten teilhaben zu lassen. So blieb alles merkwürdig distanziert und aus der Ferne betrachtet. Schade.