Auf Liebe und Tod

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Der letzte Spielfilm François Truffauts

Die ebenso aparte wie resolute Sekretärin Barbara Becker (Fanny Ardant) arbeitet für den Immobilienmakler Julien Vercel (Jean-Louis Trintignant), der sie eines Tages, als er nach morgendlicher Entenjagd im Büro auftaucht, kurzerhand feuert, nachdem sich seine Frau Marie-Christin (Caroline Sihol) über angebliche Beleidigungen der flotten Mitarbeiterin ihr gegenüber beschwert hat. Als der mit Vercel befreundete Geschäftsmann Massoulier (Jean-Pierre Kalfon), der an diesem verhängnisvollen Morgen ebenfalls auf Entenjagd unterwegs war, tot aufgefunden wird, gerät Vercel unter dringenden Mordverdacht, der sich verdoppelt, als bald darauf auch noch die Leiche seiner Frau entdeckt wird, die eine Affäre mit Massoulier unterhalten haben soll. Während Vercel sich vor der Polizei versteckt und auch von seinem Anwalt Maître Clément (Philippe Laudenbach) wenig hilfreiche Unterstützung erfährt, ist es allein seine beinahe schon ehemalige Sekretärin Barbara, die an seine Unschuld glaubt und gemeinsam mit ihm auf eigene Faust Nachforschungen anstellt, um dem wahren Mörder auf die Spur zu kommen. Eine erste Fährte führt Barbara nach Nizza, wo Vercels ermordete Gattin nicht etwa wie vorgegeben als Kosmetikerin gearbeitet hat, sondern im Rotlichtmilieu, und während der rasanten Ermittlungen, bei denen sich Barbaras Wege immer wieder mehr und weniger erfreulich mit denen von Kommissar Santelli (Philippe Morier-Genoud) kreuzen, kommen allmählich die komplexen Hintergründe und verborgenen Verbindungen dieser dynamisch gestalteten Geschichte nach dem Roman The Long Saturday Night von Charles Wiliams zum Vorschein …
Unüblich für die 1980er Jahre in Schwarzweiß und im rapiden Stil eines B-Movies inszeniert hat der französische Filmemacher François Truffaut mit Auf Liebe und Tod seinen letzten Spielfilm als heiteres Kriminalstück präsentiert, das ganz erheblich von dem chaotisch-charmanten Paar Fanny Ardant und Jean-Louis Trintignant lebt, das hier ganz wunderbar erfrischend innerhalb der wendungsreichen Turbulenzen miteinander harmoniert. Ob als akribische Detektivin, talentierte Theaterschauspielerin in einer Laiengruppe, als burschikose Prostituierte verkleidet oder als resolute Sekretärin mit starker Loyalität zu ihrem unglückseligen Chef, für den sie insgeheim längst entflammt ist – Fanny Ardant zeigt sich hier mit einem enormen Spektrum an Facetten, die sie alle mitreißend bravourös verkörpert. Auch das übrige Ensemble spielt nahezu ausschließlich schräge Typen, die sich mit einiger Geschwindigkeit durch die ungezähmte Geschichte bewegen, deren visueller Stil mit forscher Heiterkeit und sanfter Ironie eine gelungene Reminiszenz an den Film Noir der klassischen Ära darstellt und deren Dramaturgie an Konstellationen aus alten Alfred Hitchcock Filmen erinnert.

Hatte sich François Truffaut mit Die letzte Metro / Le dernier métro (1980) und Die Frau von nebenan / La femme d’à côté (1981), während dessen Dreharbeiten sich der Regisseur und seine Hauptdarstellerin Fanny Ardant zu einem Liebespaar zusammenfanden, mit ernsthaften bis schwerlastigen Stoffen beschäftigt, spiegelt Auf Liebe und Tod deutlich seine verschmitzt-witzige Seite wider, die bereits vorherige Komödien wie Liebe auf der Flucht / L’amour en fuit (1979) und Tisch und Bett / Domicile conjugal (1971) dominierte. 1984 starb der großartige französische Filmemacher und -theoretiker im Alter von 52 Jahren an einem Hirntumor, und sein Finale als Regisseur mutet retrospektiv betrachtet wie eine mit vergnüglicher Leichtigkeit inszenierte Gesamtschau als Hommage an jene Gattungen und Geschichten an, die er innerhalb seines filmischen Interesses und Wirkens stets besonders geschätzt hat.

Auf Liebe und Tod

Die ebenso aparte wie resolute Sekretärin Barbara Becker (Fanny Ardant) arbeitet für den Immobilienmakler Julien Vercel (Jean-Louis Trintignant), der sie eines Tages, als er nach morgendlicher Entenjagd im Büro auftaucht, kurzerhand feuert, nachdem sich seine Frau Marie-Christin (Caroline Sihol) über angebliche Beleidigungen der flotten Mitarbeiterin ihr gegenüber beschwert hat.
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Meinungen

Martin Zopick · 27.10.2020

Truffauts letzter Film kam wohl bereits aus dem Grabe heraus. So grottenschlecht ist er.
Das Malheur mit dem Original und dem deutschen Titel hat schon so manchen Film stigmatisiert.
Offiziell als Komödie deklariert, ist der erste Schuss der voll daneben geht. Nur hin und wieder gibt es eine latent ironische Dialogstelle. Dafür gibt es mehrere Morde, über die wir nur etwas vom Hören Sagen erfahren. Julien (Jean-Louis Trintignant) soll sie begangen haben. Seine Sekretärin Barbara (Fanny Ardant), die in ihn verliebt ist, verschafft ihm erst ein Alibi, dann verrät sie ihn an die Polizei. Warum? Bleibt das Geheimnis des Meisters. Hier ist es ihm nicht gelungen sinnstiftende Charaktere zu erschaffen. Nur eine Stelle scheint gelungen, wenn seine dann bald ermordete Ehefrau Marie-Christine (Caroline Sihol) durch einen geschickten Schnitt in eine Ohrfeige hineinfällt. Fad und dröge quält sich ansonsten der Plot über die Runden. Man fragt sich ständig ‘Stammt das, was wir sehen, wirklich von Truffaut?‘ Und dabei kennen wir noch nicht einmal das Ende. Der Mörder war wie sooft bei den Angelsachsen nicht der sprichwörtliche Gärtner, sondern der Anwalt von Trintignant. ‘Ach was!‘ hätte da Loriot treffend gesagt. Und am Ende setzt das Drehbuch noch einen drauf: die Trauung von Julien und Barbara, so überflüssig wie ein Kropf. Der Fan ruft ihm ein schmerzerfülltes Adé! hinterher.