Au revoir Taipeh

Eine Filmkritik von Peter Gutting

Metropole der Liebeskranken

Was ist die Stadt der Liebe? Als Antwort auf eine solche 50-Euro-Frage würde einem vermutlich Paris einfallen. Aber sicher nicht Taipeh. Oder vielleicht doch, wenn man den Film des chinesisch-amerikanischen Regisseurs Arvin Chen gesehen hat – eine romantische Hommage an die Hauptstadt der Insel Taiwan, die besonders durch ihre Kameraarbeit beeindruckt.
Alle scheinen irgendwie liebeskrank zu sein in dieser Stadt, selbst die abgebrühtesten Ganoven und die härtesten Polizisten. Sie tänzeln durch die nächtliche Metropole, als seien sie gar nicht richtig wach, sondern stecken auf höchst angenehme Weise fest in einer eigenen Welt zwischen Traum und Realität. Das gibt Arvin Chen und seinem Kameramann Michael Fimognari Gelegenheit, in Bildern zu schwelgen: von nächtlichen Straßen und Lichtern, von stillen Parks und belebten Märkten, von Buchhandlungen, die 24 Stunden geöffnet sind.

Es ist kein filmisches Sightseeing, zu dem der Regisseur den Zuschauer in seinem ersten langen Spielfilm mitnimmt. Nicht irgendwelche Sehenswürdigkeiten oder „wichtigen“ Plätze stehen im Mittelpunkt, sondern ein sehr subjektives Lebensgefühl, das der in den USA geborene Regisseur entdeckte, als er als Erwachsener in das Land seiner Eltern zurückkehrte. Seine Faszination für den Charme der Millionen-Metropole war so groß, dass er sogar den Deutschen Wim Wenders davon überzeugen konnte, als ausführender Produzent und erfahrener Berater in das Projekt einzusteigen.

Will man kein dokumentarisches oder gar experimentelles Städteporträt drehen, dann braucht man eine Handlung, die Gelegenheit bietet, sich auf den Straßen und Plätzen herumzutreiben. Arvin Chen hat sogar zwei. Die eine gibt sich ganz offen als eine Geschichte zu erkennen, bei der der umkämpfte Gegenstand – Alfred Hitchcock hätte ihn den „MacGuffin“ genannt – nicht das ist, um das es eigentlich geht. In Au revoir Taipeh ist der MacGuffin ein mysteriöses Päckchen, hinter dem alle her sind: der Gangsterboss, sein intriganter Neffe, die Polizei und natürlich der junge Filmheld, der gar nicht weiß, wie er in diese Geschichte hineingeraten ist. Und erst recht nicht, wie er wieder herauskommt.

Der junge Filmheld namens Kai (Jack Yao) bildet die Klammer zu der zweiten Geschichte. Er ist schwer verliebt, aber nicht in die hübsche Susie (Amber Kuo), die ihm in der Buchhandlung schöne Augen macht. Sondern in seine Verflossene im fernen Paris. Wie alle Figuren dieses Films ist Kai von den Liebeshormonen so betört, dass er nicht klar denken kann. Deshalb merkt er auch nicht, dass er sein Glück statt in der Ferne lieber in seinem unmittelbaren Umfeld suchen sollte. Das ist ein ernstes Thema, im Gegensatz zu all den Verrücktheiten und dem Spielerischen der Krimihandlung, die voll ist von lakonischem Humor.

Glücklicherweise gelingt der Balanceakt zwischen Farce und Romanze über weite Strecken. Nur wenn der Krimiplot allzu albern wird, wirken die Übergänge zu den sich anbahnenden Gefühlen zwischen Kai und Susie manchmal etwas holprig. Aber das sind nur kleine Einwände gegenüber einem Film, der mit seiner Leichtigkeit eine ganze Reihe von Szenen bietet, die länger im Gedächtnis haften werden. Etwa die bezaubernde Atmosphäre einer Gruppe von Menschen, die sich mitten in der Nacht zu einem Gruppentanz im Park versammeln. In der Harmonie der synchronen Bewegungen liegt eine stille Kraft, die einen sofort verstehen lässt, was Arvin Chen an Taipeh so begeistert.

Au revoir Taipeh

Was ist die Stadt der Liebe? Als Antwort auf eine solche 50-Euro-Frage würde einem vermutlich Paris einfallen. Aber sicher nicht Taipeh. Oder vielleicht doch, wenn man den Film des chinesisch-amerikanischen Regisseurs Arvin Chen gesehen hat – eine romantische Hommage an die Hauptstadt der Insel Taiwan, die besonders durch ihre Kameraarbeit beeindruckt.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen

Tsao · 31.10.2010

Sehr gehrter Herr Gutting,

was meinen Sie diese Satz"eine romantische Hommage an die Hauptstadt der Insel Taiwan"?
ich muss Ihnen erklaeren, dass Taiwan auch eine Insel ist, aber tatsächlich ist auch ein Land.

Mit freundlichen Grüßen
Tsao