Amador und Marcelas Rosen

Eine Filmkritik von Lida Bach

Der alte Mann und das Mädchen

„Er ist ein einfacher Mann“, sagt die neue Arbeitgeberin Yolanda (Sonia Almarcha) zu Marcela. Viel Kummer bereitet Yolandas bettlägeriger Vater (Celso Bugall) der jungen Bolivianerin (Magaly Solier) nicht, welche die erwachsene Tochter von Amador als Pflegekraft eingestellt hat. Nur eine Sorge bürdet der todkranke alte Mann ihr auf. Doch diese mit jemandem zu teilen, wagt Marcela nicht. Bis dahin setzt Amador tagein, tagaus seine Puzzles zusammen. Das unscheinbare Geduldsspiel ist komplizierter, als es auf den ersten Blick scheint, erklärt der Titelcharakter von Fernando Leon de Aranoas zärtlich-bitterem Drama.
Eines der Puzzleteile hält Amador Marcela hin. Es ist sein Abschiedsgeschenk an sie. Ablehnen kann sie es nicht. Die Hand, die es hält, ist starr und kalt. Amador ist in der Nacht gestorben. All ihre Fragen und Ängste, die er verstanden hätte, kann die in sich gekehrte junge Frau nun nicht mehr mit ihm teilen. Doch mit seinem Geschenk sagt Amador mehr, als es Worte gekonnt hätten. Warum man ein Bild zerschneide, nur um es dann mühsam wieder zusammenzufügen, fragt Marcela. Die Frage wirft für manche auch Aranoas Beitrag zum Panorama auf. Zu langwierig und zurückhaltend mag das unscheinbare Drama erscheinen. Doch unter der schlichten Oberfläche verbirgt sich eine echte Perle der diesjährigen Berlinale.

Die gestohlenen Rosen, die Marcelas Freund Nelson (Pietro Sibille) verkauft, soll sie zuvor mit Duftspray besprühen. Ohne das aus Blüten hergestellte Spray würden die Pflanzen nicht riechen, behauptet Nelson. Um den wahren Rosenduft wahrzunehmen, dazu ist er zu oberflächlich. Dem Authentischen zieht er etwas Aufgesetztes, Unechtes vor, dem das andere geopfert wird. Düfte sind die Gefühle der Blumen. Wie den Geruch der gestohlenen Rosen kann Nelson Marcelas Gefühle nicht wahrnehmen. Wie sehr der versteckte Kummer sie bewegt, verraten die Augen der Hauptdarstellerin Magaly Solier, die für ihre nuancierte Spielkunst 2009 den Goldenen Bären gewann. Amadors Tod ist eines ihrer Geheimnisse. Zu dringend benötigt Marcela ihr Einkommen — für sich und das Kind, das sie erwartet. Die Schwangerschaft wiederum ist ein Geheimnis vor Nelson, der sie betrügt, bevor sie es ihm anvertrauen kann.

Jedes Puzzle-Teil muss genau betrachtet werden, um es an die richtige Stelle zu setzen, erklärt Amador Marcela. In ihrer Verantwortung läge es, herauszufinden wo es hingehört. Ein filmisches Puzzle fügt der spanische Regisseur und Drehbuchautor zusammen. Es braucht seine Zeit, bis alle Figuren und verborgenen Details der melancholischen Filmgeschichte sich ineinanderfügen. Lange betrachtet Aranoas die seltsame Verkettung von Alltagsmomenten und außergewöhnlichen Ereignissen. Oft scheint er selbst zu zögern, zu überlegen, wie er seine Protagonisten und Motive platzieren soll. Diese Bedachtsamkeit gibt erst Raum für die hintergründigen Details und Dialoge, welche der Filmerzählung ihre Poesie und leise Komik verleihen.

Der Härte, mit der die Welt seiner verschwiegenen Hauptfigur begegnet, setzt Aranoa unerwartet zärtliche Momente entgegen. Es sei kein Platz mehr in der Welt, sagt Amador Marcelas ungeborenem Kind. Doch dafür würde er ihm seinen schenken. Die melancholische Poesie eint die kantigen Szenen von Amador und Marcelas Rosen zu einem berührenden Filmgemälde.

Amador und Marcelas Rosen

„Er ist ein einfacher Mann.“, sagt die neue Arbeitgeberin Yolanda (Sonia Almarcha) zu Marcela. Viel Kummer bereitet Yolandas bettlägeriger Vater (Celso Bugall) der jungen Bolivianerin (Magaly Solier) nicht, welche die erwachsene Tochter von Amador als Pflegekraft eingestellt hat. Nur eine Sorge bürdet der todkranke alte Mann ihr auf. Doch diese mit jemandem zu teilen, wagt Marcela nicht.
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