Am grünen Rand der Welt

Eine Filmkritik von Andreas Günther

Weil Humor nicht sein darf

Wann, ja wann wird Thomas Hardys schillernder Roman Am grünen Rand der Welt im Kino ein annähernd ähnliches Vergnügen bereiten dürfen wie bei der Lektüre? Vor fast fünfzig Jahren steckte John Schlesinger den frechen Klassiker ins Korsett des Sozialdramas. Der dänische Regisseur Thomas Vinterberg (Die Jagd) hat nun dieses Korsett noch kräftig zugeschnürt. Die romantische Komödie, die Hardy schrieb, erstickt dabei gänzlich. Weil Humor aus irgendeinem Grund nicht sein darf, wenn es um die Emanzipation der Frau im 19. Jahrhundert geht.
Wer Hardys Roman als Cineast liest, meint eine englische Harry und Sally-Version der 1870er Jahre vor sich zu haben, mit Western-Einschlag und gewürzt mit Screwball-Szenen à la Howard Hawks. Raffinierte Ironie relativiert noch die tragischsten Momente. Literaturhistorikern gilt Am grünen Rand der Welt als Hardys einzige Komödie.

Den etwas engstirnigen Schäfer Gabriel Oaks und die selbstbewusste und eitle Bäuerin Batsheba Everdene verbindet darin eine Verkettung verfehlter Begegnungen. Er hält um ihre Hand an, sie weist ihn ab. Aber sie rettet sein Leben, und als er aus tiefer Bewusstlosigkeit in ihrem Schoß erwacht, sieht er über ihnen beiden die Sterne. Er verliert seine Schafherde, sie wird durch Erbschaft Großgrundbesitzerin und er ihr Angestellter. Als er ihr eine Verbindung mit dem steifen Gentry Boltwood empfiehlt, entlässt sie ihn wütend, um ihn gleich darauf wieder einzustellen. Und dann steht der leichtlebige Sergeant Troy zwischen ihnen. Werden sie jemals zueinander finden?

Vinterbergs Verfilmung folgt zwar weitgehend dieser Handlung, unterschlägt aber alles, wirklich alles, was in der Vorlage an Witz steckt, angefangen von der spielerischen Verkehrung tradierter Geschlechterrollen – rettende (und reiche) Frau, geretteter (armer) Mann – über wortakrobatische Flirts bis hin zur liebevoll-grotesken Charakterisierung der Landbevölkerung. Vinterbergs Entscheidung, auf all das zu verzichten, lässt sich wohl nur als Zensur im Namen zweifelhafter political correctness verstehen. Damit die Zuschauer ja das richtige Geschichtsbild mit nach Hause nehmen, will er unbedingt zeigen, dass im 19. Jahrhundert Batshebas Unabhängigkeitsbestrebungen doch gar keine Chance gegen besitzergreifende Männer hatten.

Aus Hardys wilder Schönheit, die die Männer erregt und irritiert und als Agrarunternehmerin wacker agiert, wird bei Vinterberg mit Carey Mulligan (An Education, Shame) als Batsheba eine verhärmte, in der Realität kraftlose Träumerin, die Geschäft als furchtbare (weil kapitalistische und deshalb böse?) Bürde empfindet und ohne Gabriel Oaks, von Matthias Schoenaerts (Bullhead, Der Geschmack von Rost und Knochen) mit blasser Gutmütigkeit verkörpert, total aufgeschmissen wäre. Weil Vinterberg nicht bereit ist, mit Hardy die Emanzipation avant la lettre durchzuspielen, verfängt er sich in einem repressiven Frauenbild, das am Schluss im Postkartenidyll aufgelöst wird. Schlesingers Version Die Herrin von Thornhill bietet immerhin mythische Bilder und vor allem das flammende Temperament Julie Christies.

Am grünen Rand der Welt

Wann, ja wann wird Thomas Hardys schillernder Roman „Am grünen Rand der Welt“ im Kino ein annähernd ähnliches Vergnügen bereiten dürfen wie bei der Lektüre? Vor fast fünfzig Jahren steckte John Schlesinger den frechen Klassiker ins Korsett des Sozialdramas. Der dänische Regisseur Thomas Vinterberg („Die Jagd“) hat nun dieses Korsett noch kräftig zugeschnürt.

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