17 Mädchen

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Teenagerträume

Alles fängt mit einem Besuch bei der Schulkrankenschwester an. Auf dem Flur stehen zahlreiche Mädchen in Unterwäsche, sie sind zwischen 15 und 17 Jahre alt und warten auf eine Routineuntersuchung. Bei einem spaßigen Gerangel um die Reihenfolge setzt sich Camille (Louise Grinberg) durch, sie ist offensichtlich die Anführerin. Als sie schließlich den Untersuchungsraum betritt, offenbart sie, dass sie glaubt, schwanger zu sein. Erst einige Tage später beichtet sie ihre Schwangerschaft ihren vier engsten Freundinnen. Sie sind überrascht, aber Camille hat sich mit dem Gedanken bereits angefreundet – und beschließt letztlich, das Kind zu behalten. Es wäre jemand, der sie bedingungslos liebt. Sie will es alleine großziehen – der Vater spiele für sie keine Rolle – und es vor allem besser machen als ihre häufig abwesende Mutter.
Anfangs sind Camilles Freundinnen skeptisch, aber sie lassen sich von Camilles Begeisterung anstecken und kommen schließlich auf die Idee, dass es toll wäre, wenn ihre unzertrennliche Fünfer-Clique zusammen schwanger wäre. Ihr Leben in ihrer Heimatstadt Lorient in der Bretagne bietet kaum Abwechslung, ein Kind verspricht hingegen Unterhaltung. Sehr deutlich fassen die französischen Regisseurinnen und Drehbuchautorinnen Delphine und Muriel Coulin in ihrem Debütfilm 17 Mädchen die Langeweile ins Bild: Die Mädchen liegen auf ihrem Bett oder sitzen in ihrem Zimmer. Nur die Partys am Wochenende sind Ausbrüche aus der Eintönigkeit, die anderen Tage treffen sie sich auf einem verlassenen Kinderspielplatz oder gehen zu McDonald’s eine Cola trinken. Diese Tristesse wird durch den sparsamen Einsatz von Musik zusätzlich herausgestellt. Erst mit dem Verlassen des Alltags – sei es auf einer Feier oder bei einer Autotour mit Camilles Bruder – erklingt sie laut, ansonsten ist es ruhig.

Camille und ihre Freundinnen träumen von einer rosigen Zukunft mit ihren Kindern. Sie könnten sich zusammen eine Wohnung nehmen, die Kinder würden miteinander aufwachsen und keiner wäre mehr allein. Außerdem hätten sie mehr Verständnis für ihre Kinder als ihre Eltern – schließlich sei 17 Jahre der ideale Altersunterschied zwischen Eltern und Kind. Unbekümmert liegen sie mit ihren Kuscheltieren auf dem Bett, weiterhin rauchen, trinken und kiffen sie unbesorgt. Hier spielen die Regisseurinnen geschickt mit dem Wissen des Zuschauers über die Realität, die die Mädchen erwarten wird – und setzt ihm den Idealismus der Teenager entgegen.

Nach und nach werden immer mehr Mädchen schwanger. Die Erwachsenen – Lehrer wie Eltern – sind hilflos, sie können die Beweggründe nicht verstehen und wählen den einfachsten Weg, indem sie Camille die Verantwortung für die Schwangerschaften der anderen Mädchen zuschreiben. Sie hätte sie angestiftet. Einzig Camilles Bruder scheint die Mädchen zu verstehen: Sie sehen in den Schwangerschaften einen Weg in ein besseres Leben. Er selbst hoffte auf ein anderes Leben, indem er als Soldat nach Afghanistan ging. Er irrte sich – und erkennt nun leise an, dass Camille und er zu schnell erwachsen geworden seien.

Keine Ursachenforschung betreiben die Schwestern Coulin mit ihrem Film, der auf einer wahren Geschichte basiert. In Gloucester in Oregon wurden 17 Mädchen fast gleichzeitig schwanger. Sie besuchten dieselbe Schule und gaben letztlich zu, einen Schwangerschaftspakt geschlossen zu haben. Ihnen ging es, so vermutete der Schulleiter, um Liebe und Geborgenheit. Diese Geschichte nehmen Delphine und Muriel Coulin zum Anlass, in die Welt der Mädchen einzutauchen. Sehr schön fangen sie die unterschiedlichen Charaktere ein: die hübsche und starke Camille, die wesentlich schwächere und kindliche Clémentine (Yara Pilartz), aber auch die ruhige Mathilde (Solène Rigot), die als einzige nicht schwanger werden will. Sie suchen nach einem Platz im Leben und begreifen ihre Schwangerschaft als ein Gemeinschaftserlebnis, das sie von anderen unterscheidet, aber auch ein Gefühl der Solidarität vermittelt. Plötzlich halten viele Mädchen zusammen und unterstützen sich. Einzig Mathilde scheint gefestigter und hält ein wenig Abstand, der deutlich wird durch die Kopfhörer, die sie immer trägt. Gerade bei diesen Gefühlswelten der Teenager überzeugt der Film, dennoch ist es schade, dass er nur wenig von der Zeit nach der Geburt erzählt. Dabei geht es gar nicht um einen pädagogischen Gestus, aber nun steht am Ende die im Film auch ausgesprochene Erkenntnis, dass träumende 17-jährige Mädchen nicht aufzuhalten seien. Und mit dieser Aussage macht es sich der sehenswerte Film ein wenig zu leicht.

17 Mädchen

Alles fängt mit einem Besuch bei der Schulkrankenschwester an. Auf dem Flur stehen zahlreiche Mädchen in Unterwäsche, sie sind zwischen 15 und 17 Jahre alt und warten auf eine Routineuntersuchung. Bei einem spaßigen Gerangel um die Reihenfolge setzt sich Camille (Louise Grinberg) durch, sie ist offensichtlich die Anführerin. Als sie schließlich den Untersuchungsraum betritt, offenbart sie, dass sie glaubt, schwanger zu sein.
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